Wer die private Krankenversicherung verlassen will, kommt nur auf Umwegen in die gesetzliche
Die private Krankenversicherung hat unbestritten ihre Vorteile. Manchem wird sie aber irgendwann zu teuer. Der Weg zurück in die gesetzliche Kasse ist allerdings steinig – vor allem ab dem 55. Lebensjahr. Selbstständige haben es generell schwer, auf eigenen Wunsch versicherungspflichtig zu werden.
Die private Krankenversicherung hat den Ruf, im Alter recht teuer zu werden. Da ist oft etwas dran. Mitunter kann es aber bereits helfen, die Selbstbeteiligung zu erhöhen oder bestimmte Extra-Leistungen zu reduzieren, etwa das Einbett-Zimmer im Krankenhaus. Jede private Krankenversicherung muss es ihren Kunden ermöglichen, einen Wechsel in einen günstigeren Tarif durchzuführen – das ist gesetzlich so vorgesehen. Wenn das aber alles nichts hilft, bleibt oft nur der Weg in die gesetzliche Krankenkasse.
Arbeitnehmer unter 55 Jahren haben es am einfachsten
Wer als Arbeitnehmer unter 50.850 Euro brutto im Jahr (2012) verdient, ist automatisch pflichtversichert – deshalb heißt diese Grenze „Versicherungspflichtgrenze“. In den genannten Betrag fließen auch weitere regelmäßig gezahlte Gelder ein, zum Beispiel Prämien oder Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Was viele nicht wissen: Wer bereits am Stichtag 31. Dezember 2002 privat versichert war, muss nur unter die Grenze von 45.900 Euro kommen.
Hat der Arbeitnehmer die Versicherungspflichtgrenze mindestens ein Jahr lang unterschritten, darf er sich künftig freiwillig weiterversichern – und zwar unabhängig davon, wie hoch das Einkommen dann ist.
- Manche Arbeitnehmer verringern ihr Einkommen deshalb ein Jahr lang ganz bewusst – zum Beispiel durch Reduzierung der Arbeitszeit.
- Andere zahlen in eine betriebliche Altersvorsorge ein; mittels einer solchen „Entgeltumwandlung“ können sie ihr Jahreseinkommen um bis zu 4.488 Euro senken.
- Auch Arbeitslosengeld I führt übrigens zur Versicherungspflicht – nicht hingegen Hartz IV!
Über 55-Jährige haben es schwerer
Damit das Solidarsystem nicht zu sehr ausgenutzt wird, hat der Gesetzgeber älteren Arbeitnehmern einen Riegel vorgeschoben für den Fall, dass sie die private Krankenversicherung zugunsten der gesetzlichen verlassen wollen: „Rien ne va plus“ gilt für – fast – alle über 55.
Glücklicherweise gibt es einige Ausnahmen. Sinkt das Einkommen unter die Versicherungspflichtgrenze und bestand in den letzten fünf Jahren für mindestens einen Tag eine gesetzliche Versicherung, klappt der Wechsel doch noch.
Wer in den letzten fünf Jahren nie versicherungspflichtig war, hat nur dann eine Chance, wenn er in diesen fünf Jahren weniger als zweieinhalb Jahre
- von der Versicherungspflicht befreit,
- versicherungsfrei oder
- hauptberuflich selbstständig war.
Selbständige gelangen über Umwege in die GKV
Für Selbständige steht eine Mitgliedschaft in der PKV grundsätzlich offen. Anders verhält es sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Selbständige können nur dann freiwilliges GKV-Mitglied werden, wenn sie
- das 55. Lebensjahr noch nicht überschritten haben und
- die Vorversicherungszeit erfüllen.
Die Vorversicherungs-Bedingung verlangt entweder
- unmittelbar vor Beginn der Selbständigkeit mindestens 12 Monate Mitgliedschaft in der GKV oder
- in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Selbständigkeit insgesamt mindestens 24 Monate Mitgliedschaft in der GKV.
Beitragsfreie Zeiten aus einer Familienversicherung werden angerechnet, ebenso Pflichtversicherungszeiten über die Arbeitsagentur oder die studentische Krankenversicherung.
Also: Wer als Selbständiger noch keine 55 alt ist, kann über gewisse Umwege in die GKV gelangen. Am einfachsten ist es, für mindestens zwölf Monate eine versicherungspflichtige Beschäftigung anzunehmen. Allerdings hilft es nichts, im eigenen Unternehmen als angestellter Geschäftsführer zu arbeiten. Verlangt wird nämlich eine weisungsgebundene Tätigkeit. Außerdem müssen Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt worden sein.
Schließlich gibt es die Möglichkeit, eine versicherungspflichtige Tätigkeit zu beginnen und nebenberuflich selbstständig zu bleiben. Für viele ist das eine gute Option, da sie so weiterhin die Hand auf ihren eigenen Betrieb halten können. Die versicherungspflichtige Beschäftigung muss dabei allerdings einen erheblichen Teil des Einkommens ausmachen, damit die weiterhin bestehende Selbstständigkeit auch wirklich als nebenberuflich eingestuft wird.
Die vielen Bedigungen zeigen: Um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben, sollten sich Selbstständige eingehend mit den Regelungen der Kassen vertraut machen.
Gesetzliche Krankenversicherungszeit im Ausland kann anerkannt werden
Einen allerletzten Ausweg für Betroffene über 55 Jahren bietet Europa: Wer längere Zeit in Ländern wie zum Beispiel Niederlande, Schweiz oder Schweden arbeitet, muss sich dort in jedem Falle pflichtversichern. Rückkehrer nach Deutschland können die Zeit dann als Vorversicherungszeit geltend machen; mit dem ausgefüllten Formular „E 104“ werden sie dann in Deutschland automatisch versicherungspflichtig.
Finanztest: Wann der Wechsel in die private Krankenversicherung eine Option ist
Seit Beginn 2011 ist der Wechsel in eine private Krankenversicherung wieder einfacher. Es genügt, ein Jahr lang beim Einkommen über der so genannten Versicherungspflichtgrenze von derzeit 49.950 Euro brutto zu liegen (bisher drei Jahre). Die Zeitschrift Finanztest warnt allerdings vor übereilten Versicherungsabschlüssen.
Laut Finanztest gibt es vor allem einen Grund, sich vor der Entscheidung über einen Wechsel in die private Krankenversicherung gründlich Gedanken zu machen: Die Entwicklung der Kosten ist schwer abschätzbar. Gesundheitskosten steigen ebenso an wie die Lebenserwartung der Menschen. Finanztest kalkuliert deshalb mit einer ungefähren Verdreifachung der Beiträge innerhalb von dreißig Jahren. Solche Durchschnittsraten gab es in den zurückliegenden Jahrzehnten. Auch die gesetzliche Kasse wird natürlich teurer; ihre Beiträge orientieren sich aber immer am tatsächlichen Einkommen der Versicherten.
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV): kalkulierbare Preise und unkalkulierbare Leistungen
Wer die Wahl hat zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung, sollte die Vor- und Nachteile genau kennen. Die Besonderheiten der GKV sind unter anderem:
- Beitrag: orientiert sich am Einkommen. Es gilt aber eine Höchstgrenze von derzeit 575 Euro (plus eventueller Zusatzbeitrag). Die ganze Familie ist mitversichert.
- Leistungen: Die Leistungen können durch die Politik jederzeit gekürzt werden. Das geschah in der Vergangenheit öfters: So gibt es keine Erstattung mehr für Brillen oder rezeptfreie Medikamente; ferner wurden die Zuschüsse für Zahnersatz gekürzt und die Praxisgebühr wurde eingeführt.
- Das Krankenhaus kann nicht frei gewählt werden; Behandlungen meist durch den Stationsarzt; Mehrbettzimmer.
- Nur verschreibungspflichtige Medikamente werden bezahlt; dabei ist eine Zuzahlung zwischen fünf und zehn Euro notwendig.
- Bei Zahnersatz werden nur 50 bis 65 Prozent der gesetzlichen Regelversorgung übernommen.
Die private Krankenversicherung: meist höhere Kosten, aber in der Regel bessere Leistungen
Die private Krankenversicherung punktet durch ein besseres Leistungsangebot, das sie sich dementsprechend auch bezahlen lässt. Finanztest weist besonders auf die so genannte Leistungsgarantie hin; sie kann ein guter Grund für einen Wechsel sein.
- Beitrag: Wird von den Versicherungsgesellschaften individuell festgesetzt, einkommensunabhängig. Die Tarife variieren stark je nach Leistungsangebot. Für Familienmitglieder Extrabeiträge.
- Leistungen: Es besteht eine Leistungsgarantie für die gesamte Vertragslaufzeit, das heißt zugesagte Leistungen dürfen von der Versicherung nicht zurückgenommen werden.
- Es besteht eine freie Wahl unter allen Krankenhäusern (einschl. Privatkliniken). In den meisten Tarifen Ein- oder Mehrbettzimmer mit Chefarztbehandlung.
- Auch rezeptfreie Medikamente werden erstattet, wenn sie verordnet wurden.
- Bei Zahnersatz werden in der Regel 50 bis 90 Prozent der tatsächlichen Kosten übernommen.
- Bei häuslicher Krankenpflege gibt es allerdings im Gegensatz zur gesetzlichen Versicherung keine Leistungen.
Finanztest rät: Wechsel in die „Private“ sorgfältig überlegen
Bei Beamten ist die Sache oft klar: In der Regel ist für sie eine private Krankenversicherung günstig. Die Beihilfe übernimmt einen großen Anteil der Kosten; die private Versicherung für den Restteil ist relativ preisgünstig. Auch für Selbständige ist die PKV eine gute Option. Arbeitnehmern dagegen empfiehlt Finanztest, sich einen Wechsel genau zu überlegen. Oft locken niedrige Einstiegstarife; drastische Erhöhungen sind aber später unvermeidlich. Im Alter können die Beiträge weit höher liegen als bei der GKV. Finanztest gibt die Empfehlung, notfalls in einen preiswerten Tarif beim gleichen Anbieter zu wechseln; dann gehen zumindest die Rücklagen nicht verloren.
Fazit: Wer Wert auf gute und dauerhaft garantierte Leistungen legt, liegt mit einer Privatversicherung richtig. Da die Beitragsentwicklung aber schwer vorherzusehen ist, empfiehlt es sich, frühzeitig finanzielle Reserven anzulegen, damit auch im Alter eine optimale Krankheitsversorgung gewährleistet ist. Wer sich mit möglichen Leistungseinbußen gut arrangieren kann, wählt die gesetzliche Krankenversicherung.
Die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung ist unter bestimmten Bedingungen möglich
Im Streitfall um die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung hat das Sozialgericht Kiel zugunsten eines Arbeitslosen entschieden. Ihm war die Aufnahme in die Gesetzliche verweigert worden. Der Beschluss des Gerichts (Aktenzeichen: S 37 AS 437/10 ER) erachtet den Ausschluss als unzulässig und hebt ihn auf.
Der Weg zurück in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist oftmals versperrt. Damit soll dem missbräuchlichen Wechsel zwischen den Krankenversicherungssystemen ein Riegel vorgeschoben werden. Denn Versicherte könnten sonst zunächst von niedrigen der privaten Krankenversicherung (PKV) profitieren um dann später – wenn das Beitragsniveau der gesetzlichen Krankenkasse überstiegen wird – in die GKV zu wechseln. Ein derart ausgestaltetes Gesundheitssystem würde natürlich nicht funktionieren und schließlich kollabieren.
Vom Grundsatz der Unrückkehrbarkeit gibt es Ausnahmen – doch die sind mitunter strittig und landen vor dem Kadi.
Leistungen ja, gesetzliche Krankenversicherung nein
Der jüngste Fall hierzu wurde vor dem Sozialgericht Kiel verhandelt. Grund zur Klage hatte ein ehemals Selbstständiger, dessen Antrag auf Rückkehr in die Gesetzliche abgelehnt wurde. Der Antragsteller war bis zum 30.11.2000 in der GKV versichert. Dann machte er sich selbstständig und wechselte in die PKV. Die Geschäfte liefen nicht gut, so dass im August 2003 die Geschäftsaufgabe folgte. Aufgrund finanzieller Engpässe konnten die Prämien für die PKV nicht mehr bedient werden. Folge: Die PKV kündigte den Versicherungsvertrag zum 31.01.2004.
Abgelehnt wurde die Rückkehr in die GKV im Zuge der Arbeitslosenmeldung des Klägers. Er war im August 2009 im Jobcenter vorstellig geworden und hatte Leistungen beantragt. Diese wurden bewilligt – einen Anspruch auf die gesetzliche Krankenkasse ließ sich daraus allerdings nicht ableiten.
Grundsatz der Unrückkehrbarkeit ist zu durchbrechen
Die GKV begründete die Ablehnung mit der allgemeinen Krankenversicherungspflicht, die seit 01.01.2009 auch in der PKV gilt. Nach ihrer Auffassung müsse der zuletzt Privatversicherte sich daher wieder in der PKV versichern lassen und sah damit für die GKV einen Ausschlusstatbestand erfüllt.
Das Sozialgericht Kiel sieht das anders und stellte in seinem Beschluss vom 30.08.2010 fest, dass in diesem Fall der Grundsatz der Unrückkehrbarkeit durchzubrechen ist. Der Ausschlusstatbestand, den die GKV vorbrachte, hätte gegriffen, wenn der Kläger „unmittelbar“ vor Bezug des Arbeitslosengelds II privat versichert gewesen wäre. Bei einer versicherungsfreien Zeit von über 6 Jahren könne nach Ansicht des Gerichts mitnichten von einer Unmittelbarkeit gesprochen werden. Das Gericht entschied, dass der Antragsteller für die Dauer seines Leistungsbezuges in der gesetzlichen Krankenkasse aufzunehmen ist.
Der Fall zeigt: Es gibt Wege zurück in die GKV. Menschen, denen die Rückkehr verweigert wurde, sollten ihren Fall daher von einem Experten prüfen lassen.